Am Anfang war Berührung

von Uma

Am Anfang war Berührung

Berührung ist wie verbale Kommunikation eine Hinwendung zum Du. Ernesto Cardenal, Theologe, Philosoph und Minister in Nicaragua, formulierte es mit den Worten, die ganze Natur drängt zu einem Du, S.23, Das Buch von der Liebe, GTB, Gütersloh 1933. In dieses Du bezog er auch gegenständliche Objekte und Erscheinungen der Natur mit ein. Berührung ist also immer an etwas gebunden, was außerhalb seines eigenen Selbst liegt. Deshalb können in einer Berührung all die Dinge bewusst betrachtet werden, die den Weg von innen nach außen und vom Äußeren zum Inneren des Menschen betreffen.

Berührung ist die einfachste Kommunikationsform, wird von nahezu allen Wesen praktiziert und Kulturen übergreifend gepflegt. Merkmale und Verhaltensweisen, die alle Menschen jenseits ihrer spezifischen Eigenschaften betreffen dienen als Lehrmeister für die eigene Wahrhaftigkeit und Erkenntnisfähigkeit. Umso einfacher die Kontaktform mit anderen, desto mehr werden künstliche Gesten und Worte wahrgenommen und „zwingen“ zu Authentizität. Wahrhaftigkeit und Erkenntnisse, die sie wachsen lässt, sind wiederum auch die Voraussetzungen für Wohlbefinden und ein Leben ohne Stress.

In dem Bedürfnis, berührt zu werden, verbirgt sich eine Anlage, die die Spezies Mensch erhält. Denn ihr Überleben ist von Sozialfähigkeit und Gemeinschaft abhängig, die durch Berührung geprägt werden. Die existenzielle Bedeutung von Berührung für den Erhalt der Spezies repräsentiert sich in den Merkmalen des dazu gehörigen Sinnesorgans. Die Haut erstreckt sich über den ganzen Körper, ohne dieses Sinnesorgan kann er nicht überleben.

Das oben erwähnte Drängen zum Du findet in Berührung seine Verwirklichung oder Schöpfung. Berührung wird in Mythen und Sagen als Heilungs- oder Schöpfungsprozess beschrieben. Äskulap, z.B. soll durch Berührung träumende Kranke geheilt haben. Besonders in den Mythen des vorderasiatischen Raumes kneteten Götter häufig Menschen aus Lehm und belebten sie durch Berührung. In der griechischen Mythologie war der Göttervater Zeus oft hinter Göttinnen, Frauen und schönen Jünglingen her. Hin und wieder schwängerte er seine Opfer u. a. durch reine Berührung. Jede Entwicklung ist ein Heilungs- oder Schöpfungsprozess, ebenso das Auffinden verloren geglaubter Fähigkeiten und der Wieder-Erwerb von Gelassenheit und Gesundheit.

Wahrhaftige Berührung, die den anderen Menschen in seinem inneren Kern oder seinem ganzen Dasein erreicht, bedeutet sanftester Druck und zartestes Bewegt-Werden wie im Mutterleib, Geborgenheit, und die selbstverständliche Sicherheit, nicht allein zu sein, sind die Worte einer Anzeige für Shiatsu, eine japanische Berührungstechnik. Auch diese Worte lassen die Bedeutung erahnen, die Berührung für Gesundheit und Entspannungsfähigkeit beinhalten kann.

Berührung bringt ein Wesen in den Kontakt mit der Wurzel seiner Existenz. Denn dieser Weg von innen nach außen und vom Äußeren zum Inneren durch Berührung wurde bereits zu Beginn des Lebens erfahren. Berührung macht einem Neuankömmling auf dieser Erde deutlich, wo sein Organismus endet und der des anderen beginnt. Ist das Wesen geboren, ist Berührung die Geste der ersten Bestätigung eines Menschen in seiner seelischen Existenz auf dieser Welt. Ohne sie fühlt sich dieser vom Leben nicht angenommen. Berührung zeigt dem kleinen Menschen: Ich bin! Ich habe einen Anfang und ein Ende. Es gibt noch andere Menschen! Sie tun mir gut. Ich fühle mich durch sie gewollt. Ich fühle mich gut mit anderen und kann ihnen vertrauen.

Das Maß, das und die Qualität an Berührung, die ein Kind erfährt, bestimmt sein Schicksal. Erfahrungen, wie Nicht-Anerkennung, Misstrauen, Kampf, Stress, Krisen und Krankheit kennzeichnen seinen Weg, wenn es zu wenig Berührung erlebt hatte. Oftmals wird das von Betroffenen als Lieblosigkeit bezeichnet. Das Bedürfnis nach Berührung bleibt wie Bedürfnisse nach Nahrung, Schlaf und Atemluft, ein Leben lang. Von Altenpflegerinnen, die sterbende Menschen betreuen, schlafen meist jene Menschen friedlich ein, die bis zum letzten Atemzug einen saften Berührungskontakt erhalten. Angenehme Berührung lässt das Bindungshormon Oxytoxin ausschütten und sorgt für Geborgenheit.

Mangel an Berührung in der ersten Lebensphase eines Menschen, hinterlässt Schmerz oder Hunger, der so lange latent wirksam ist, bis er in seinem Wesen entdeckt wird. Auch wenn er von Betroffenen wahrgenommen wird, lässt sich für ihn seine Ursache schwer zuordnen. Denn er entstand als die Fähigkeit zur Artikulation, auch von Gedanken, noch nicht gegeben war. Der Betreffende erlebt sich hiflos, wie ein diffus erfahrener Hunger zu befriedigen wäre. Häufig greifen diese Menschen zu Ersatzmöglichkeiten, ihre innere Lücke zu füllen, wie etwa Anerkennungssuche, Rekordsucht, Feststoffsucht...

Das Erleben dieses "unbekannten" Hungers und seine Sättigungsversuche werden zum Selbstläufer und haben eine gewisse Bedeutsamkeit. Wenn das Bedürfnis Berührung wieder genährt wird, fällt die Anstrengung der Sättigung weg. Die Kraft, die dafür eingesetzt wurde, steht für andere Erfahrungen zur Verfügung.

Manchmal macht ein Orgnanimus über Hautkrankheiten und anderen Beschwerden, z.B. Schlafstörungen innere Unruhe, auf sein Berührungsbedürfnis aufmerksam. Das ist in meinen Augen ein kreativer Akt des Organismus. Er ist selbstwirksam und will zeigen, was er braucht, selbst wenn der Betreffende sich darüber (noch) nicht bewusst ist. Die entspannende Wirkung z.B. während einer Shiatsu-Anwendung oder einer anderen Berührungsmethode lässt die heilsame Wirkung für Körper und Seele wieder ins Bewusstsein dringen.

Ist die Präsenz für Berührung wieder zurück, trägt sie zu Verbindung und Verbundenheit bei, erzeugt im Organimus in Wohlbefinden und Schönheit. Sie macht die Person anziehend für ihre Mitmenschen. Berührung bewusst erlebt, lässt wahrnehmen, wie wertvoll Berührt-Sein ist, welche Potenziale dadurch freigesetzt werden und macht Lust auf mehr.

Teile diesen Artikel:     

Ähnliche Beiträge

Pansliste
Danke für Deine Anmeldung zum Newsletter. Du wirst in Kürze eine E-Mail mit einem Link erhalten um Deine Anmeldung noch zu bestätigen. Viel Spaß mit Pan's Liste!

Erhalte wöchentliche Updates aus Deiner Umgebung




Bist Du bereits Mitglied auf Pansliste.de?

Erlaubnis zum Marketing *

  Wöchentliche Updates aus Deiner Umgebung per E-Mail
  Ja ich habe die AGBs und Datenschutzrichtlinien gelesen und erkläre mich damit einverstanden, dass Panliste.de meine Informationen in Übereinstimmung mit diesen Bedingungen verarbeiten darf. Du kannst Deine Meinung jederzeit ändern, in dem Du auf den Abbestellen-Link im Newsletter klickst oder uns unter hallo@pansliste.de eine E-Mail schreibst. Wir behandeln Deine Daten mit größter Sorgfalt.